(Martin Buber Die Erzählungen der Chassidim, Manesse Verlag Zürich)
Chanukka, das Fest der „Tempelweihe“, ist zwar achbiblischen Ursprungs, jedoch finden wir bei genauer Untersuchung in der Tora Israels einige konkrete Erwähnungen von biblischen Einweihungsfeiern im Zusammenhang mit den darin genannten Heiligtümern. Das 7. Kapitel des 4. Buches der Bibel, Numeri genannt, ist das längste innerhalb des Zyklus der fünf Bücher Mose, 89 Verse zählend!, und beschreibt detailliert die feierliche Einweihung der sog. Stiftshütte während der vierzigjährigen Wanderung der Kinder Israels nach der Befreiung aus Ägypten auf dem Wege in das Land der Väter. Ausführlich werden die Repräsentanten der einzelnen Sippen der zwölf Stämme Israels beim Namen genannt, die von Gott Adonai beauftragt werden, anlässlich des Abschlusses der Errichtung des Mischkan משכן, der „Einwohnung“ des Schöpfers, ihre Opfergaben im provisorischen Heiligtum „darzunahen“.
In der dem hebräischen Originaltext sehr nahen „Verdeutschung“ des deutschen Theologen Martin Mordechai Buber lesen wir zu Anfang des Kapitels:
Num. 7,1 Es geschah am Tag, als Mosche endete die Wohnung zu errichten und salbte sie und heiligte sie und all ihre Geräte, und die Schlachtstatt und all ihre Geräte, als er die salbte und sie heiligte, 2 darnahten die Fürsten Jissraels, die Häupter ihres Väterhauses, das sind die Fürsten der Stäbe, das sind, die den Eingeordneten vorstehn, 3 sie brachten ihre Nahung vor IHN, sechs Dachwagen und zwölf Rinder, ein Wagen auf je zwei Fürsten, ein Ochs für je einen, die nahten sie vor die Wohnung.
10 Die Fürsten nahten die Rüstspende die Einweihung!!! der Schlachtstatt dar, am Tag, da sie gesalbt ward, die Fürsten nahten ihre Nahung vor die Schlachtstatt dar.
11 ER sprach zu Mosche: Je ein Fürst für den Tag, je ein Fürst für den Tag sollen sie ihre Nahung zur Rüste zur Einweihung!!! der Schlachtstatt darnahn.
Buber präzisiert durchgängig in seiner gesamten Wiedergabe der Tora die beiden gewichtigen Schlüsselworte Mischkan Stiftshütte משכן mit „Wohnung, Einwohnung„, lehakriw „opfern“ להקריב mit „eine Nahung darnahn„. Mit diesen präzisen Übertragungen will Buber die theologischen Grundgedanken der Einweihungsfeier dokumentieren.
Der Schöpfer beauftragt Seine erwählten Israeliten mittels von Ihm geschaffenen Gaben aus Metallen, Tieren, Naturerzeugnissen (Öl und Feinmehl) und Räucherwerk, Seiner erwählten Wohnstätte „nahe zu kommen“. Der irdische vergängliche Mensch, Partner Gottes, hat die Aufgabe „sich zu rüsten“, sich der Begegnung mit dem unsichtbaren majestätischen Weltregenten zu „weihen“. Indem er vorgeschriebene Natur-Phänomene in einer feierlichen Zeremonie in die „Wohnung“ des unsichtbaren, ungreifbaren „Ein-wohners“ überbringt, vereinigt er sich am Tage der „Rüstung“, der „Einweihung“ mit dem Erschaffer alles Erschaffenen. Die Tora beschreibt präzise, wie an jedem der zwölf Tage der „Einweihung“ jeder Abgesandte der zwölf Stammessippen Israels die gleichen Elemente der Schöpfung in den Tempel zu überbringen hatte.
Die rabbinischen Kommentatoren klären, warum die individuellen „Darnahungen“ in monotoner zwölfmaliger Wiederholung benannt werden, anstatt diese einmalig zu spezifizieren unter Nennung der jeweiligen Repräsentanten. Die Antwort führt uns in das Geheimnis des Tempel-Gottesdienstes – sowohl während der Wüstenzeit als auch im Laufe der späteren Zeremonien in den beiden Tempeln zu Jerusalem. Die Gemeinschaft Israels bildet ein großes Kollektiv, und doch ist jeder einzelne israelitische Repräsentant, der sich dem Tempel „nähert“, der Ihm „naht“, ein unverwechselbares Individuum. Jeder Stammesabgesandte bringt die gleichen äußerlichen materiellen Gaben in die Göttliche „Wohnung “ und doch bringt dieser zugleich seine individuelle Mentalität, seine individuelle persönliche Hingabe und seine individuelle Andächtigkeit in das Heiligtum Gottes. Das Betreten der „Wohnung Gottes “ – sowohl in der Wüste als auch in Jerusalem – ist vornehmlich ein innerer, seelischer Prozess der „Annäherung“ an den Schöpfer, der sich mittels der dargebrachten Objekte manifestiert.
Auch zur Zeit des neu eingeweihten makkabäischen Tempels, der „Wohnung“ Adonais, forderten die Hohepriester, dass der erneuerte Tempelritus vorrangig die Innerlichkeit der Juden und zweitrangig deren äußere Gaben beanspruche. Die gesamte uns überlieferte Liturgie der Chanukka-Tage beinhaltet einen zusammenhängenden großen Dienst der „entzündeten Herzen“ für den „Gott der Errettung“ אדוני אל ישועתי aus feindlicher Vernichtungsabsicht.
Da ich durch Adonais unendliche Gnade ein Fachmann sowohl der Tora der Juden (AT) als auch der „Tora der Christen“ (NT) sein darf, sei es mir gestattet, eine „brennende Brücke“ zwischen diesen beiden Welten zu schlagen. Der Leitgedanke des jüdischen Tempels, der irdischen „Wohnung Adonais“, in welcher wir Erdlinge unserem Erschaffer durch unsere „brennenden Herzen“ „nahen“ dürfen, prägt eine große zweittestamentliche Gestalt „brennend“. In seinem beispiellos „entzündeten“ Sendungsbewusstsein verkündet der Jude und Pharisäer Paulus Saulus (Scha‘ul) השליח שאול penetrant sein jüdisches Verständnis von Tempel und innerem Dienst an Gott. Das Tora-Wissen hierzu hat er in seinen prägenden Lehrjahren in Jeruschalajim, in welcher Metropole auch ich, Yuval Yitzchak, geprägt und belehrt wurde, erworben – knapp zwei Jahrhunderte nach dem Chanukka Wunder.
So bekennt er:
Apg. 22,3 „Ich bin ein jüdischer Mann, geboren zu Tarsus in Cilicien, aber erzogen in dieser Stadt (Jerusalem Jeruschalajim), zu den Füßen Gamaliels, unterrichtet mit allem Fleiß in der väterlichen Tora!!!!, und ich war ein Eiferer (ein brennender Jude!) für Gott, wie ihr alle es heute seid.“
In seinem Sendschreiben an die Heiden in Korinth lehrt er – typisch jüdisch provokant:
1.Kor. 3,16f „Wisst ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben; denn der Tempel Gottes ist heilig, und der seid ihr.
1.Kor. 6,19 „Oder wisset ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des in euch wohnenden heiligen Geistes ist, welchen ihr von Gott empfangen habt, und daß ihr nicht euch selbst angehöret.“
In Anlehnung an die deutliche Ermahnung Adonais an die Israeliten in der Wüstenzeit:
Dtn. 4,24 „Denn Adonai, dein Gott, ist ein verzehrendes Feuer, ein eifernder Gott“
weiß der Jude Scha‘ul seinen tief Tora-konformen Appel auszurufen:
Röm. 12,11 „Seid nicht träge in dem, was ihr tut. Seid brennend im Geist. Dient dem Schöpfer Adonai“
Diese Worte äußert er analog zum Appel seines unbekannten Kollegen im Hebräerbrief:
Hebr. 12,29 „Denn auch unser Gott ist ein verzehrendes Feuer.“
Wenn der Gott Adonai der Tora sich selbst als lebendiges, verzehrendes Feuer אש אכלה esch achla bezeichnet, können wir – Seine irdischen Kinder – die wir gehalten sind, Ihm zu „nahen“, anders agieren, als lebendige Kerzen zu sein, die zu Seinen Ehren brennen – in unseren inneren wie äußeren Tempeln?!